Putins Spiele, ausgerechnet Sotschi

Zunächst: Die Olympischen Spiel sind Eigentum des IOC, des Internationalen Olympischen Komitees, das aus dem weltweit geschützten Namen und den zugehörigen fünf Ringen Milliarden-Einnahmen schöpft. Es war das IOC, das mit knapper Mehrheit die Olympischen Winterspiele 2014 nach Sotschi vergab, nicht Wladimir Putin. Ohne ihn wäre dies allerdings kaum möglich gewesen. Man schrieb den 5. Juli 2007, als Putin, damals russischer Premier, persönlich zur IOC-Session nach Guatemala reiste, um das olympische Wahlgremium zu umgarnen und von den Vorteilen Sotschis zu überzeugen. Außer Computer-Animationen, die eine wunderbare Schneewelt auf digitale Bildschirme zauberten, hatte Sotschi indes noch nicht viel vorzuweisen, was das Schwarzmeerbad unter Palmen für die winterolympische Extravaganza prädestiniert hätte.

Die Mehrheit der IOC-Mitglieder ließ mit ihrem Votum auch nicht von der die Terrorgefahr für Sotschi, unweit der Krisenregion Dagestan am Rande des Nordkaukasus gelegen, irritieren. Das hat wenige Wochen vor Beginn der Winterspiele eine Reihe von Anschlägen in Wolgograd wieder in Erinnerung gerufen. Im Olympiaort Krasnaja Poljana feierten vor 150 Jahren die Truppen des Zaren mit einer Parade den Sieg über die Tscherkessen - ein Grund für islamistische Terroristen, die Olympischen Winterspiele als "satanische Tänze auf unseren Gebeinen" zu verteufeln. So müssen die Olympischen Winterspiele von 40.000 Soldaten bewacht werden; der Guardian notierte allerdings vor der Eröffnung eine "surprisingly relaxed atmosphere".

Die "pharaonische Aufgabe" (Le Monde), in weniger als sieben Jahren glitzernde Eispaläste an die Gestade des Schwarzen Meers zu setzten und olympiataugliche Ski-Resorts samt breiter Zufahrtswege in die Berge frästen, mag architektonisch und logistisch bewundernswert sein. Doch der Preis ist hoch. 51 Milliarden Dollar - so haben russische Wirtschafts-Experten berechnet - kosten Infrastruktur und Organisation dieser Winterspiele, schon bevor sie überhaupt begonnen haben. Olympia teurer, als ursprünglich projektiert? Daran hat man sich schon gewöhnt. Aber Sotschi bricht wohl alle Rekorde. Das wurde auch auf der IOC-Session, wo der neue Präsident Thomas Bach seine Reform-Agenda 2020 vorstellte, diskutiert:
Ausgerechnet der scheidende Marketingchef Gerhard Heiberg – einer der Motoren der marktorientierten Spiele-Vergaben – benannte am Mittwoch dieses Problem: „Es gibt natürliche Gründe, warum nur wenige Länder Winterspiele organisieren können“, sagte er. Heiberg zählte die Nationen noch einmal auf, in denen jüngst entschieden wurde, auf Bewerbungen zu verzichten: Österreich, die Schweiz, Deutschland und Schweden. "Was ist passiert? Was können wir machen, dass diese Länder das wieder wollen?", fragte der Norweger. Man müsse, betonte er übereinstimmend etwa mit dem russischen Top-Funktionär Alexander Schukow, die Olympia-Budgets besser erklären.FAZ
Weil sich in der westlichen Welt Prinzipien wie Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit durchgesetzt haben (nachdem wir unsere Alpen über Jahrzehnte hinweg mit Pisten und Pässen verbaut haben), wird dort schon darüber spekuliert, ob in Zukunft nur noch autokratische oder diktatorische Gesellschaftssysteme den Olympia-Gastgeber spielen können. Dann würde es auch niemanden mehr interessieren, wenn die Transformation einer Stadt auf dem Rücken der lokalen Bevölkerung ausgetragen wird oder wenn der Umfang der Bauarbeiten schlicht zu groß wird, wie in Sotschi geschehen.
Construction teams encountered problems from the start. According to Yulia Naberezhnaya, the deputy scientific secretary of the Sochi branch of the Russian Geographic Society, there was "no integration of the scientific approach" in building Olympic venues and infrastructure. Instead, she said, officials thought, "we have a lot of money, we’ll build it somehow. [...] Not that anyone was necessarily counting each ruble, or at least not that carefully. Government officials, big construction firms, local subcontractors - everyone knew the Sochi Games were a matter of state prestige and of great personal importance to Putin and his legacy."BloombergBusinessweek
Dass Korruption das Budget sogar um ein Drittel weiter aufgebläht hat, bestreitet Putin. Der russische Präsident, der sich gerne als starker Macher inszeniert, ist stolz darauf, Sotschi vom Jeep aus eigenhändig als Austragungsort ausgesucht zu haben, wie er im russischen Fernsehen ausplauderte. Am Ende zahlt der Staat jede Summe (nur bei den Bauarbeitern kam erst einmal nichts an), damit die Spiele ein wiedererstarktes Russland präsentieren und das russische Volk zu stolzen Patrioten und Gastgebern machen. Wobei: Nicht nur in Russland sonnen sich die Regierenden im Licht kerniger Sportsleute, das tun auch westliche Politiker gerne. Kurios wird es allerdings, wenn ein russischer Minister den Umstand, das nicht alle Hotelzimmer rechtzeitig bezugsfertig sind, mit der Feststellung dementiert, dass nur noch eine "finale Endreinigung" vonnöten sei.

Aus sportlicher Sicht wird man Russland kaum das Recht absprechen können, zum ersten Mal nach den vom Boykott unter US-Führung geschmälerten Olympischen Spielen 1980 in Moskau wieder Olympische Spiele ausrichten zu dürfen. Es stimmt auch, dass Russland nach dem Auseinanderbrechen der Sowjetunion kein eigenes Wintersportzentrum mehr besessen hat. Nun haben sie eins, und Putin, über den der Schriftsteller Viktor Jerofejew schrieb, er habe sich wie einst Zar Peter der Große, der Erbauer von St. Petersburg, sein eigenes Denkmal geschaffen - hat seine Olympischen Spiele bekommen. Es musste ausgerechnet Sotschi sein.
Zuletzt bearbeitet 06.02.2014 13:27 Uhr